Zukunftsängste und Hoffnung

von Daniel Rothe

Zukunftsängste gehören zum menschlichen Leben dazu. Sie können plagen. Sie können sogar zu einer völligen Lähmung des Lebens führen. Sie können aggressiv machen oder enden mitunter in Medikamentenabhängigkeit.

Diese Sorgen können höchst verschieden aussehen und sich unterschiedlich anfühlen. Da kann sich jemand Sorgen um seine Gesundheit oder seinen Job machen. Die Frage, ob berufliche oder private Projekte eine Zukunft haben, kann zu Schlaflosigkeit führen. Gedanken an die Zukunft der eigenen Kinder können zur Belastung werden. Junge Menschen werden vielleicht von der Sorge geplagt, wie es nach Ausbildung oder Studium weitergehen wird oder dass die Fernbeziehung zerbrechen könnte. Für junge und ältere gleichermaßen steht die Sorge im Raum, welche Konsequenzen die Klimaveränderung nach sich ziehen wird, ob es ein „nach Corona“ geben wird und wie es mit der Demokratie weitergehen wird.

Sorgen sind immer da. Einerseits sind sie unabdingbar, denn wo sie zu Vorsorge treiben, zu Veränderungen motivieren oder zu Geduld anmahnen, wo sie Projekte anstoßen und zu Kreativität führen, haben sie doch ihre Berechtigung. Natürlich kann niemand im Vorfeld sicher wissen, was genau zu tun ist. Das Leben ist zu komplex.

Andererseits: Wenn aber vermeintlich alles Mögliche getan ist und das Grübeln beginnt, wenn die Sorge um die Zukunft das Leben jetzt einengt, dann ist das vielleicht ein Anzeichen dafür, hier mit einer anderen Strategie weiterzugehen, als ständig auf das Denken und Fühlen dieser Angst fokussiert zu sein.

Ob man an diesem Punkt therapeutische Unterstützung bei der Bewältigung seiner Zukunftsängste benötigt, hängt davon ab, wie lebenshinderlich diese Ängste erlebt werden.

Gleichzeitig ist der Umgang mit den eigenen Ängsten eine Aufgabe, die sich vom spirituellen Weg nicht trennen lässt. Geht es doch hierbei um Selbsterkenntnis, die einen unerlässlichen Schritt auf dem spirituellen Weg darstellt.

Davon zeugen die Schriften der Männer und Frauen, die ab dem 4. Jahrhundert in die ägyptische und syrische Wüste zogen. Dort waren sie mit sich konfrontiert und haben äußerst exakt beobachtet, in welchen Situationen welche Gedanken und Gefühle in ihrem Bewusstsein auftauchten. Und dass sich Gedanken und Gefühle nicht mit Disziplin kontrollieren lassen, war dabei für sie eine Binseneinsicht. Gleichzeitig entdeckten sie aber auch, dass niemand seinen Gedanken und Gefühlen völlig ausgeliefert ist. Dafür haben sie zahlreiche Ideen entwickelt, wie sich mit diesem Erleben arbeiten lässt.

Eine wichtige Erkenntnis war für sie hierbei, dass sich hinter dem jeweiligen Erleben bewusste oder unbewusste Phantasien verbergen. Bezogen auf die Angst suggerieren diese Vorstellungen eine problematische bis katastrophale Zukunft. Das können Phantasien sein, die sich auf zukünftige negative Reaktionen von Mitmenschen beziehen, die das eigene Handeln oder Nichthandeln bewerten. Oder es treten Phantasien eines potentiellen zukünftigen Mangels von mehr oder minder notwendigen Dingen auf. Alle diese Zukunftsszenarien haben eines gemeinsam: Sie gaukeln eine schlimme Zukunft vor, die mit Not, Scham oder Gesichtsverlust einhergehen wird. Klar, es könnte so aussehen. Es muss aber nicht so aussehen.

Ein erster Schritt ist daher, auf die Phantasien, die sich als Bilder oder Sätze hinter der Angst verbergen, zu hören. Wer diese Bilder und Sätze plötzlich hinter seiner Angst erkennt, wird vielleicht staunen oder sogar schmunzeln können. Damit ist die Angst keineswegs gebannt. Aber in einer diffusen Angstsituation könnte plötzlich eine neue Art des Umgangs mit dieser Angst entstehen.

Eingebettet war dieses gezielte Beobachten des eigenen Erlebens der Frauen und Männer in der Wüste in die Praxis des Hörens auf die Stille. Bei diesem Hinhören erlebten sie neben ihrer Angst auch Hoffnung.

Der Haltung der Hoffnung liegt das Erleben des Getragenseins im Leben zugrunde. Das kann sich etwa so ausdrücken, wie es Willigis Jäger formuliert hat:

„Warum sollte ich Angst haben, dass mein Schiff untergeht, wo doch Gott das Meer ist, in das es versinkt?“

Willigis Jäger

Die Angst bleibt, sie gehört zum menschlichen Leben. Die Hoffnung gehört aber auch dazu. Und für den Menschen, der Hoffnung erlebt, wäre es schade, sich nicht von ihr tragen zu lassen.

Es gilt also genau auf die eigene Angst zu hören. Wo kann sie produktiv sein? Wo engt sie aber auch einfach nur ein? Hier heißt es dann, auf die Phantasien hinter dieser Angst zu achten, um so die automatische Reaktion auf die Angst zu unterbrechen. Zudem gilt es auch, der Hoffnung den ihr gebührenden Raum einzuräumen und sie ihre Kraft entfalten zu lassen.


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