„Vom Unsagbaren sprechen“ – Rückblick auf das Symposium Christliche Spiritualität im 21. Jahrhundert

von Andreas Dalberg

Wer eine spirituelle Erfahrung macht, den drängt es, das Erlebte in Worte zu fassen. Das ist alles andere als leicht, da sich die Erfahrung der Sprache entzieht. Mit genau diesem Thema hat sich ein Symposium am Benediktushof beschäftigt: „Christliche Spiritualität im 21. Jahrhundert: Vom Unsagbaren sprechen – zum Verhältnis von Spiritualität und Sprache.“ Der Bogen, der geschlagen wurde, reichte von den Wüstenvätern über die Mystiker bis zur Kognitionswissenschaft.

Ausgangspunkt spiritueller Sehnsucht ist ein Mangel, wie der Psychologe Thilo Brandl in seinem Vortrag anhand der Positionen des französischen Jesuiten Michel de Certeau aufzeigte.

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Laut Certeau macht die Mystik einen Ur-Verlust deutlich, der sichtbar wird im Bild vom leeren Grab Jesu. Das leere Grab steht für eine Wunde, eine Abwesenheit, die den Menschen einfach nicht zur Ruhe kommen lässt. Eine Wunde, die offenbleiben darf, da sie die Sehnsucht nach Gott wachhält – die den Menschen aber auch auf die Suche gehen lässt.

Pater Anselm Grün, der per Videokonferenz zugeschaltet war, skizzierte, auf welche Weise die Wüstenväter einst nach Gott suchten: Sie gingen den Weg des Schweigens. Die frühchristlichen Mönche setzten sich der Stille aus und begegneten dabei zunächst sich selbst, ihren Gedanken und Gefühlen. Im Jesusgebet „führten sie ihre Gedanken in den Grund der Stille“. Auf diese Weise ließen sie sich selbst los und öffneten sich für das Einswerden mit Gott.

Über ihre Erfahrungen äußerten sich die frühen Mönche nur zurückhaltend. Im Mittelalter aber suchten Mystiker wie Johannes vom Kreuz nach neuen Möglichkeiten, Erlebtes auszudrücken. Sie nutzten vorzugsweise rhetorische Figuren, die Paradoxes aufblitzen lassen: etwa das Oxymoron, das Gegensätze kombiniert („ungestüme Ruhe“) und so auf ein Drittes verweist, auf das Unnennbare.

Die Sprache, die für Spirituelles gefunden wird, ist so vielfältig, dass bisweilen „babylonische Verwirrung“ herrscht – was heftige Konflikte zur Folge haben kann, wie Moderator Daniel Rothe betonte, der das Symposium organisiert hatte und an den drei Tagen leichtfüßig durch das Programm führte.

Einen möglichen Ausweg bietet hier Thomas Keating. Laut Theologin Kristina Kieslinger sieht der Mitbegründer des „Centering Prayer“ im kontemplativen Gebet eine Art Lösemittel, um sich von Anhaftungen zu befreien – auch von der Überzeugung, die eigene Ebene des Sprechens über Gott, ob personal oder apersonal, sei die einzig richtige. Der Trappistenmönch plädiert für einen Mittelweg, der gegensätzliche Positionen akzeptiert und so Freiraum schafft, in dem man sich begegnen kann.

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Ein solcher Begegnungsraum entstand auch am Benediktushof. Bei den Diskussionen, die respektvoll geführt wurden – etwa über die mystische Deutung des Abendmahls, die der Philosoph Reiner Manstetten entfaltete. Ebenso in den Workshops, in denen die über 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst auf Suche nach einer spirituellen Sprache gingen. Referentin Laura Neuhaus von der Duden-Redaktion rückte hier die Metapher in den Fokus, die aus kognitionswissenschaftlicher Sicht vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten bietet – gerade auch für Erfahrungen, die begrifflich kaum zu fassen sind.

Zur Atmosphäre der Verbundenheit, die während des Symposiums entstand, trug die wertschätzende Debattenkultur bei. Aber auch die gemeinsame Kontemplation und „Feier des Lebens“, zu der die spirituelle Leitung einlud, Maria Kolek Braun und Fernand Braun. In so einer Atmosphäre, sagte Maria Kolek Braun, wird möglich, wofür im Alltag oft kein Raum ist: in geschütztem Rahmen über die eigene Erfahrung zu sprechen. „Der Benediktushof ist ein Ort, der genau das erlaubt.“ Abschließend gab Fernand Braun noch einen Gedanken mit auf den Heimweg: Nicht nur der Mensch, auch das Göttliche möchte sich mitteilen. In dieser Perspektive ist man aufgerufen, sich vom Unsagbaren immer wieder ansprechen zu lassen und zu öffnen für den Versuch, dafür Worte zu finden, mögen sie auch unzureichend erscheinen.

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