Stille
von Harald Homberger, Kursleiter am Benediktushof, Spritueller Leiter Samyama Integrale Yogameditation und Psychotherapeut
„Wenn es nur mal so ganz stille wäre“
Rainer Maria Rilke
Im gleichen Moment, in dem Dir die Stille bewusst wird, ist ein Zustand innerer Wachsamkeit da. Du bist gegenwärtig und trittst aus der gedanklichen Konditionierung aus. Stille und die Vorstellung eines Ich-Bewusstseins gehen nicht zusammen. Stille ist Stille… und jenseits gedanklicher Bewegungen. Die Stille ist die Erfahrung oder das Gewahrsein, aus dem alles entsteht.
Schau Dir einen Baum an, eine Blume. Wie still sie sind, wie tief verwurzelt im Sein. Richtest Du Dein Gewahrsein auf sie aus, kommst Du unausweichlich mit der Stille des Seins in Verbindung. Der Baum will nicht meditieren, die Blume nicht geliebt werden. Sie sind einfach.
Schaust Du auf einen Baum oder auf das Meer, kannst Du eine berührende Erfahrung machen. Im absichtslosen Schauen wirst Du selber still. Auf einer tiefen Ebene verbindest Du Dich mit Ihnen und fühlst Dich eins. Du fühlst Dich mit allem eins, was Du in der Stille und durch die Stille wahrnimmst. Die eigentliche Stille ist nicht leer. Die Stille ist voll. In ihr ist die gesamte Existenz enthalten. Aus ihr quillt alle Erfahrung und in ihr ist alles enthalten. Das ist das Geheimnis. Wir verwechseln das Jetzt mit dem, was im Jetzt geschieht. Das Jetzt ist etwas tieferes als das was darin geschieht. Es ist der Raum, in dem das Jetzt geschieht. Dieser Raum ist formlos und seine Substanz ist Stille.
Wir können auch unendliches Bewusstsein oder Gott zu dieser Erfahrung sagen. Aber die Worte drücken diese Erfahrung nicht aus. Sie weisen nur daraufhin, stehen gleichzeitig zwischen Dir und der Erfahrung.
Wie kommen wir dahin?
Stille entsteht natürlicherweise in den Pausen. In den Pausen zwischen zwei Gedanken, zwischen den einzelnen Wörtern eines Satzes, zwischen dem einatmen und dem ausatmen. Stille entsteht aber nicht in den Pausen, sondern wir können sie in den Pausen – der Nicht-Aktivität – wahrnehmen. Dehnen wir die Pausen in uns aus, dehnen wir die Stille in uns aus. Eigentlich brauchen wir nicht mehr zu wissen. Wissen trennt uns von der Stille ab. Weisheit an Stelle von Wissen stellt sich mit der Fähigkeit ein, in Stille zu schauen und zu hören. Ohne gedankliche Absicht und ohne Bewertung dessen, was geschieht. Aus der Stille entsteht intuitive Intelligenz. Du weißt aus Innen heraus und kannst Dich davon leiten lassen.
Samyama Integrale Yogameditation ist ein Weg, der Dich in die Stille führen möchte. Stille wahrnehmen – im Körper, im Atem und im Geist. Anerkennen, dass Stille im Geist, der Stille des Atems und der Stille des Körpers bedarf.
Stille im Körper
… ich spüre nach Innen und nehme die Impulse meines Körpers wahr, von Moment zu Moment. Ich nehme sie wahr und gehe gedanklich nicht damit in Verbindung. Ich überlasse den Körper ganz sich selbst.
Ich werde Zeuge dieser Erfahrung. Der Zeuge greift nicht ein. Er nimmt alles wahr, hat keine eigenen Impulse, da er mit dem Geschehen nicht aktiv verbunden ist. Mein Körper beginnt sich von meinem Geist zu lösen, er hat nichts zu tun, er darf sich entspannen. Die Stille des Körpers beginnt aufzuleuchten.
Stille im Atem
… meinen Atem wahrnehmen, jetzt. In diesem gegenwärtigen Moment.
Bin ich im Gewahrsein meines Atems, bin ich gegenwärtig.
Dieser eine Atemzug … ohne mein Zutun fließt der Atem ein. Er dehnt sich in meinem Körper aus und gelangt an sein natürliches Ende. Ein Halt entsteht, der in eine fühlbare Fülle sich ausdehnt. Hier in der sich ausdehnenden Fülle leuchtet Stille auf. Ebenso in dem Halt nach der darauffolgenden Ausatmung. In dem natürlichen Halt nach der Ausatmung schwingt in der Leere Stille, die sich ausdehnt.
Bleibe ich gegenwärtig in den Pausen nach Einatmung und Ausatmung, dehnt sich in mir Stille aus … Stille wird zu meiner wahrnehmbaren wahren Natur.
Stille im Geist
Stille geschieht… ich kann sie nicht machen. Stille ist sofort wahrnehmbar, wenn der Geist still ist. Stille ist immer um mich herum.
Ich beginne zu lassen. Unterbreche die Verbindung meines Geistes mit den Inhalten. Entscheide, mit was ich mich beschäftige. Und entscheide auch, all das zu lassen. Mit nichts in Verbindung zu gehen, auch nicht mit der Vorstellung, dass ein Ich das tut. Die Vorstellung eines Ich, das ich habe und meine zu sein, zu lassen.
Es ist so einfach, sich an die Wahrheit zu erinnern.