Schenken – und dadurch selbst beschenkt werden

von Maria Kolek Braun, Kontemplationslehrerin und Mitglied des Leitungsteams am Benediktushof

Weihnachten steht vor der Tür – das Fest, an dem wir uns gegenseitig Geschenke machen. Welches Geschenk hat Sie in Ihrem Leben wirklich überrascht und über welches haben Sie sich so richtig gefreut?

Die Rose lebt ohne Warum. Sie blüht, weil sie blüht.

(Angelus Silesius)

Ein Kollege erzählte mir heute beim Mittagessen von einem Erlebnis. Er habe mit seiner Frau in Freiburg in einer Gartenwirtschaft gesessen. Es sei ein rundum schöner Tag gewesen, beide genossen den Sommer, die freie Zeit, das Miteinander-Sein. Mein Kollege wollte sein Glück verschenken und bezahlte das Bier des Herrn am Nebentisch. Entgegen seinem Wunsch informierte die Bedienung den Herrn darüber, dass sein Nachbar dessen Bier schon bezahlt habe. Ein Gespräch entwickelte sich, dieser Mann am Nebentisch hatte vor drei Monaten seine Frau durch den Tod verloren, er saß dort alleine und war sehr berührt, dass fremde Menschen ihm einfach so ein Bier schenkten. Seine Freude war groß und die meines Kollegen ebenso.

Er hatte nur etwas schenken wollen und wurde selbst beschenkt – ganz unerwartet.

Solche spontanen Impulse wie das Verschenken des Bieres steigen dann auf, wenn wir im Augenblick sind. Und umgekehrt – nur wenn wir selbst wach sind, erreichen uns solche Geschenke. Ein Fluss von Absichtslosigkeit und Lebendigkeit.

Durch die spontane Idee, etwas Unkonventionelles wirklich zu tun, wird spürbar, wie die Liebe uns verbindet und wie in diesem Augenblick einfach Freude und Liebe da sind.

So ist es mit dem Schenken: aus der Fülle geben ohne zu fragen, ohne Berechnung, ohne weitere Gedanken. Einfach geben. Denn alles ist bereits da. Wie kann ich da etwas für mich behalten wollen? In diesem Augenblick spielt die uns so vertraute Unterscheidung zwischen mein und dein keine Rolle. Wenn wir wirklich wach sind, sind wir Geschenk füreinander.

Wenn wir zu Weihnachten Geschenke besonders schön und liebevoll einpacken, wird umso deutlicher, dass sie Symbol für die uns verbindende, unsichtbare Liebe sind, für das Leben, das bereits vollständig da ist.

Zum spirituellen Impulsbeitrag gibt es seit Anfang 2022 das „Autorengespräch“, ein Format, in dem sich interessierte Leser*innen und Kursteilnehmer*innen des Benediktushof zusammen finden, um gemeinsam mit dem Autor/der Autorin über den Impuls zu reflektieren. Denn der gemeinsame Austausch kann eine sinnvolle und hilfreiche Ergänzung zur eigenen spirituellen Praxis sein. Der Ablauf ist dabei stets: Vortrag – Austausch in Kleingruppen – Fragen & Antworten im Plenum. Das ganze findet kostenfrei, online via Zoom statt.
Nächster Termin: Dienstag 13.12.2022 von 19:3020:30 Uhr mit Maria Kolek Braun. Anmeldung über den Button unten (gleicher Link wie beim Online-Sitzen in Stille).

Beitragskategorien

Aktuelle Kurse: das Leben immer wieder neu „empfangen“

Aktuelle Kurse: das Leben immer wieder neu „empfangen“

9. November 2024
Kursangebot | Das Leben Augenblick für Augenblick immer neu "empfangen" - die spirituelle Praxis ermöglicht uns einen stillen und offenen Raum, das zu erfahren. ...
Unsere Ahnen – und die Ahnung von der unfassbaren Dimension des Lebens

Unsere Ahnen – und die Ahnung von der unfassbaren Dimension des Lebens

9. November 2024
von Alexander Poraj | Auch unsere am weitesten zurückliegenden Ahnen haben allein durch ihr Sosein entschieden dazu beigetragen und tun es noch immer, dass Sie ...
Zazen, 06.15 Uhr – Liebesbrief

Zazen, 06.15 Uhr – Liebesbrief

9. November 2024
von Anne-Sophie Balzer | Der Benediktushof bietet tägliche Zeiten zum gemeinsamen Online-Meditieren an - ein Erfahrungsbericht ...