Natur als spirituelle Kraftquelle

Akkurate Linien treffen auf sanfte Rundungen, Klosterkräuter wachsen neben japanischen Zierkirschen und alten Birnbäumen, Artenvielfalt ergänzt sich mit Kunst und Spiritualität: Ein Spaziergang durch die Gärten und Höfe mit Gärtnermeister Emanuel Graf

Oft konnten die Gäste Willigis Jäger, Zen-Meister und Mit-Begründer des Benediktushofes, am Seerosenteich begegnen, ganz gegenwärtig in der Betrachtung der Fische und Pflanzen. Im Schutz der schattenspendenden Linde, umgeben von der alten Klostermauer und viel Grün eröffnen sich hier wunderbar meditative Perspektiven: die leichte Bewegung des Wassers, das leuchtende Weiß und Pink der Seerosen auf dem satten dunkelgrünen Blätterteppich, hie und da eine tänzelnde Libelle, das gelassene Gleiten der Goldfische. Und bisweilen lässt sich sogar eine Kröte hören oder erblicken.

Die Gartenanlagen am Benediktushof bieten viele Ecken und potenzielle Lieblingsplätze, gerade in den warmen Sommermonaten nehmen viele Gäste gerne die Einladung an, sich draußen aufzuhalten, sich auf einer der Bänke niederzulassen und mit allen Sinnen den Garten aufzunehmen. Mit ihrer Klarheit und Aufgeräumtheit sprechen die Anlagen den Menschen auf vielen Ebenen an und berühren einen auf besondere und tiefe Weise. Was lässt das Miteinander der Pflanzen so harmonisch wirken? Was ist es, was Körper, Geist und Seele hier aufatmen lässt?

Gärtnermeister Emanuel Graf hat uns zu einem Rundgang durch die Gartenanlagen eingeladen – vom Innenhof, vorbei am Labyrinth und der Jesus-Statue, über den Zen-Garten, hinauf zum Klostergarten und zuletzt in den Garten der Stille. Und tatsächlich: In den Gärten und Höfen am Benediktushof gibt es viel zu entdecken.

Gartenkunst aus Ost und West fließen ineinander

Mit Emanuel Graf, Alexander Väth, Manuela Meining und Michael Dobry kümmern sich vier professionelle Gärtner das ganze Jahr über um die Gartenpflege und Blüte am Benediktushof. Einen wertvollen Beitrag leisten tagtäglich auch die Gäste, die während ihrer Stunde Mitarbeit am Hof und in den Außenanlagen mithelfen und anpacken. „Es gibt eigentlich jeden Tag, zu jeder Jahreszeit etwas im Garten zu tun. Eine Hauptsaison kennen wir nicht. Unsere Hauptaufgabe ist dabei, das Garten-Konzept und die damit verbundene Vision durch unsere Arbeit umzusetzen und zu erhalten.“

Für das Gesamtkonzept der Außenanlagen zeichnet der Gartenarchitekt Friedhelm Hellenkamp verantwortlich. Nachdem im Dezember 2003 der Kursbetrieb am Benediktushof startete, wurden unter seiner Regie sukzessive die Anlagen im Innenhof und westlich des Gebäudes komplett neugestaltet. Mit dem alten Baumbestand, den Linden und Kastanien, sowie der Klostermauer an der Einfahrt wurden historische Elemente der Anlage integriert. Der östliche Innenhof und der Garten der Stille wurden mit der Erweiterung des Ostflügels ab 2014 angelegt.

Wie ein roter Faden zieht sich das Gartenkonzept durch die Architektur der Außenanlagen: Mit ihren fließenden und harmonischen Übergängen soll sie das Anliegen des Benediktushofes – das transkonfessionelle Verständnis von Willigis Jäger – widerspiegeln: „Wie die spirituellen Traditionen und Glaubensrichtungen fließen in den Gärten Elemente aus den spirituellen Traditionen des Westens und des Ostens ineinander.“

Der Klosterhof

Wer als Kursteilnehmer*in beim schnellen Gehen im Innenhof unzählige Runden absolviert, erkennt und erfährt ganz meditativ die architektonische Harmonie. Zunächst fallen die sanften Rundungen ins Auge, mit denen die Rasen-, Pflaster- und Pflanzenflächen hier im zentralen Innenhof abschließen. Den Kontrast dazu bilden die geraden Linien der Wasserläufe und des Seerosenteiches, auch der kugelige Buchs und das Buschwerk sind akkurat geschnitten. Sie symbolisieren die Klarheit, für die das Zen steht.

Die Weisheitstraditionen aus Ost und West zeigen sich aber auch bei der Auswahl der Pflanzen: So findet man verschiedene Heilkräuter, wie sie auch in Klostergärten wachsen, etwa Lavendel, Johanniskraut oder Frauenmantel. Auch die Rosenbüsche und Pfingstrosen erinnern als die klösterliche Tradtion. Die Zierkirschen am Empfang lassen einen die Gartenkunst des Ostens assoziieren.

Der westliche Klostergarten

Am Troand vorbei betreten wir den Gartenbereich Richtung Westen, mit den beiden Terassen vor dem Restaurant und dem Speisesaal West: Gerade im Sommer werfen die beiden Bäume wunderbare Lichtspiele auf die Holzdielen und spenden kühlenden Schatten. „Betrachtet man die Wege aus der Vogelperspektive, fallen einem die kreuzförmigen Anlagen auf, zum Beispiel am Brunnen vor dem Zendo oder am Ausgang zum Parkplatz“, erklärt Emanuel Graf. Auffallend hier: die Kunstwerke aus verschiedenen spirituellen Traditionen. Rechts – im Schatten der Balthasar-Neumann-Kirche – sitzt die lebensgroße Christus-Statue aus der Werkstatt der Münchner Künstlerin und Zen-Meisterin Gisela Drescher. Die Statue lädt den Betrachter in einem kleinen Rondell zum Hinsetzen und zur Begegnung ein. Zu linker Hand nimmt das Rasenlabyrinth die Rasenfläche ein.

Viele Gäste nehmen die Aufforderung an, sich Schritt für Schritt auf die vielen Wendungen einzulassen – als spirituelle Analogie einer Lebensbiografie. Mit der „Außenglocke“ auf der Westterrasse sowie den beiden Winterkirschen und den Azaleen-Polstern entlang des Kopfbaus wurden hier weitere Elemente aus der Zen-Tradition integriert. Und noch eine kleine Besonderheit kann der Gast hier entdecken: So wurde das Mäuerchen zwischen dem Weg und der Westterrasse in versetzter Anordnung hochgezogen. „Man kann also nicht den direkten Weg nehmen, sondern muss Schritt für Schritt erst ein Hindernis umlaufen“, erklärt Emanuel Graf eine weitere Analogie, die aus der spirituellen Praxis entnommen wurde: sich Augenblick für Augenblick auf das einlassen, was sich in unserem ‚Blickfeld‘ auftut.

Garten der verborgenen Quelle

Dieser Gedanke wird uns wenige Meter weiter nochmals begegnen: Am Eingang zum Garten der verborgenen Quelle – oder im Sprachgebrauch am Benediktushof kurz „Zen-Garten“ genannt: Der Gast steht beim Betreten zunächst einem Busch gegenüber: „Wie bei der Meditation begegnet man erstmal Widerständen, bevor man in den Reichtum vordringen kann“, erläutert der Gärtnermeister. Die Besonderheit: „Der Zen-Garten ist der einzige Gartenbereich, der ausschließlich der japanischen Gartenkunst gewidmet ist.“ Der Zen-Garten am Benediktushof zählt zu den größten, nach japanischem Vorbild angelegten Gartenanlagen Europas.

Mit seiner bepflanzten Hanglandschaft, den Felsblöcken, weitläufigen und kunstvoll geharkten Kiesflächen wird hier der Lauf des Lebens symbolisiert, von der verborgenen Quelle bis hin zur Mündung in den großen Ozean.

Hinauf zur Klosterwiese

Eine Aufwertung hat im vergangenen Jahr die Klosterwiese überhalb von Forsthaus und dem sogenannten „Roten Haus“ erhalten: Hier entstand in den vergangenen Monaten der Raum „All-Ein-Sein“, der von den Gästen für die Einzelmeditation genutzt werden kann.  Inmitten des Grüns haben Emanuel und seine Kollegen außerdem Sitzbänke installiert. Die Einsiedelei steht hier schon seit mehreren Jahren und wird nach wie vor regelmäßig von Gästen für mehrtägige Einzel-Retreats genutzt. Erreichbar ist die Klosterwiese über einen kleinen Pfad, der am Forsthaus vorbei, über Steinstufen zum Wald hinauf führt. Ganz bewusst werden die Hänge hier dem wilden Efeu und Brombeersträuchern überlassen.

Garten der Stille

Beim Betreten durch den Empfang Ost richtet sich der Blick erstmal auf die markante Betonwand. Diese hat zwar auch eine funktionale Bedeutung, gleichzeitig stellt sie in dieser grünen und natürlichen Umgebung einen bewusst platzierten Fremdkörper dar: „Sie steht für die Härte des Lebens“, erklärt Emanuel Graf und verweist dann auf den wilden Wein, der in den vergangenen Jahre Stück für Stück den Beton überwuchert hat: „Durch die natürlichen Prozesse erobert sich der Garten den Raum zurück und integriert und harmonisiert das Fremde.“

Zur Rechten zweigt sich der Weg hinter dem alten Birnbaum: Am Haus entlang geht es zur Kapelle, ein weiterer, geschwungener Weg führt durch das wogende Gras zum Brunnen an der alten Klostermauer. Wieder erinnert das Wegkreuz mit seinem fließenden Gewässer an einen alten Klostergarten, gesäumt von Büschen, Blumen- und Kräuterbeeten. Emanuel Graf verweist auf ein besonderes Stück Geschichte: Der Bogen in der Klostermauer ist das bis heute erhaltene Hauptportal des früheren Benediktinerklosters, das im 8. Jahrhundert gegründet wurde. Der untere Teil ist inzwischen zugemauert,  im seitlichen Mauerwerk sind dagegen noch die Zargen der schweren Holztüren zu sehen.

Wurde das Zen hier vergessen? Ganz und gar nicht, verweist der Gärtner unter anderem auf eine Zierkirsche.

Naturschutz am Benediktushof

Und wie sieht es aus mit Klima- und Naturschutz am Benediktushof? „Wir arbeiten so natürlich wie möglich, Dünger und Chemie werden möglichst sparsam eingesetzt“, erklärt der Gärtnermeister: Gleichzeitig stelle eine Gartenanlage immer eine Art Kunstwerk dar, bei dem der Mensch die Natur nach bestimmten Ideen gestaltet, erklärt der Gärtnermeister: „Würde man die Fläche der Natur überlassen, stünde hier über kurz oder lang Wald.“ Die langen Trockenphasen und Temperaturspitzen der vergangenen Jahre stellen auch die Gärtner am Benediktushof vor Herausforderungen: „Es passiert immer wieder, dass bestimmte Pflanzen durch die Klimaveränderungen nicht mehr optimal wachsen oder überleben. Dann versuchen wir sie durch ähnliche Pflanzen zu ersetzen, und so das Konzept und den Charakter des Gartens zu erhalten.“

Apropos Natur: Wer hier in Holzkirchen Augen und Ohren offen hält, wird immer wieder Zeuge von besonderen Naturspektakeln. Gerade in Sommernächten geben die tierischen Bewohner am Hof und aus der Umgebung so manch vielstimmiges Konzert. „Holzkirchen hat durch seine Lage am Bachlauf und zwischen den bewaldeten Hügeln ein ganz besonderes Mikroklima, die eine hohe Artenvielfalt ermöglicht.“ Und so ist die Gegend Heimat seltener Ringelnattern, Hirschkäfer, Laubfrösche sowie vielen Vögeln und Insekten. Es lohnt sich also, alle Sinne offen zu halten.

Weitere Infos über die Gartenanlagen am Benediktushof finden Sie hier.


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