Mut zur Entscheidung

von Daniel Rothe, Kontemplationslehrer am Benediktushof

Ob wir es wollen oder nicht, ständig müssen wir Entscheidungen treffen. Manchmal sind es kleine Entscheidungen wie etwa die Pizzaauswahl in einer Pizzeria. Manchmal stehen wir auch vor komplexen Lebensentscheidungen, die nicht nur für uns oder einen Abend Relevanz besitzen. Wir müssen wählen, ob wir nun wollen oder nicht. Selbst wenn wir in einer solchen Situation vermeintlich nicht wählen, entscheiden wir uns. Wir können Entscheidungssituationen nicht entkommen.

Viele erleben Entscheidungsprozesse als äußerst unangenehm und schwierig. Man will sich ja richtig entscheiden. Ein solches Vorhaben erschwert Entscheidungen allerdings ungemein. Denn die Angst eine falsche Entscheidung zu treffen, kann den Entscheidungsprozess blockieren. Allerdings: Es gibt keine richtigen oder falschen Entscheidungen.

Kein Mensch ist nämlich in der Lage alle möglichen Kriterien zu kennen und abwägen zu können, die nötig wären, um sich unter diesem Anspruch zu entscheiden. Wir können uns lediglich für eine bestimmte Option entscheiden, von der wir im Moment der Entscheidung annehmen, dass diese die angemessenste (nicht unbedingt die leichteste und angenehmste) für uns und unsere Mitwelt ist. Wer sich etwa zwischen zwei möglichen PartnerInnen entscheiden muss, darf sich beruhigt von dem Gedanken verabschieden, die Falsche bzw. den Falschen zu wählen. Selbst wenn wir zum Zeitpunkt der Entscheidung alle Pro- und Contra-Argumente genau angeschaut haben, wissen wir nicht, welche Bedeutung diese Kriterien in Zukunft haben werden.

Der Psychologe Gerd Gigerenzer rät daher dazu auch unserer Intuition oder wie er es alternativ nennt, unserem Bauchgefühl im Entscheidungsprozess Vertrauen zu schenken. Wenngleich die Forschung zur Intuition in der Neurowissenschaft noch in den Kinderschuhen steckt, lässt sich bereits heute feststellen: Jeder Mensch besitzt eine solche Fähigkeit zur Intuition. Früheren Generationen war diese Einsicht vertraut. Seit dem 19. Jahrhundert fand sie im westlichen Kulturraum jedoch geringere Beachtung und wurde vielfach lediglich Frauen zugebilligt.

Intuition ist aber eine evolvierte Fähigkeit aller menschlichen Gehirne. Sie taucht rasch als Ahnung einer möglichen Zukunft im Bewusstsein auf. Gleichzeitig sind wir uns ihrer tieferen Gründe nicht völlig bewusst. Manchmal ist uns schon längst klar, wie wir uns entscheiden wollen. Aber wir zögern dann gelegentlich. Wir trauen dieser Einsicht nicht so leicht über den Weg. Das ist nicht unbedingt schlecht. Denn nicht jeder Impuls, der in der Entscheidungssituation auftaucht, ist als intuitive Einsicht zu verstehen. Da gilt es schon zu prüfen. Die intuitive Einsicht jedoch genau in den Blick zu nehmen, scheint für eine angemessene Entscheidung unentbehrlich, wenn wir herausfinden wollen, was wir wirklich wollen.

Die kontemplative Übung des Hörens auf die Stille kann uns sensibel machen, genau zu spüren und zu prüfen, ob die gezeigte Ahnung Handlungsenergie erzeugt. Der innere und äußere Lärm unserer Alltagsgedanken und täglichen Anforderungen beginnen zu verstummen.

Dann wird es möglich, dass ein Bild oder ein Gefühl aufsteigt, das uns den Weg weist. Die Antwort schlummert also schon längst in uns. Mit diesem Wissen können wir mutig nach vorn schreiten.

Und, auch das ist wichtig: Jeder noch so zaghafte erste Schritt ist ein Zeichen von Mut. In Resonanz mit unserer Mitwelt wird jede noch so kleine Entscheidung, jedes Handeln Weiteres in Bewegung setzen.

Daniel Rothe

katholischer Theologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Religionsphilosophie und -wissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Promotion zum Thema "Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht. Metaphorik und religiöses Erleben im 21. Jahrhundert", Kontemplationslehrer der Linie "Wolke des Nichtwissens" (Willigis Jäger). www.jetztundhier-bensheim.de