JA! … Ohne Wenn und Aber
von Petra Wagner, Kontemplationslehrerin und Mitglied der spirituellen Leitung „Wolke des Nichtwissens“
„Dem Vergangenen Dank. Dem Kommenden JA!“ Diese wenigen einfachen Worte sind eine Herausforderung. Eine täglich neue, immerwährende Herausforderung. Sie sind leise und doch unglaublich radikal, denn sie lassen kein „Wenn und Aber“ zu. Sie passen schlicht und ergreifend nicht in unser allgemeines Verständnis von Lebensanschauung, bei der die verengte Sichtweise auf das vermeintlich Negative im alltäglichen Erleben oftmals unfreiwillig tragisch komische Züge annehmen kann.
Ein simples Beispiel ist das Spiel um die Frage „Wie geht es Dir?“.
Wie oft ist ein Zaudern, ein kurzes Zögern vor einer Antwort zu spüren und wie oft lautet dann die Antwort: „Ich muss sagen, ich kann nicht klagen.“ Ich muss sagen – ich kann nicht klagen… Ist das nicht ein implizierter Wunsch klagen zu können? Ja, fast ein Bedauern, dass es die momentanen guten Lebensumstände nicht zulassen zu klagen?
Auch wenn diese Art Antwort mich stetig zu der Frage provoziert „Möchtest Du denn klagen?“, ist mir selbstverständlich bewusst, dass sie Teil unserer Umgangssprache ist. Umgangs – Sprache, die Sprache, wie wir mit uns und mit anderen sprechen und umgehen. Sie ist die Sprache, die hörbar werden lässt, wie wir auf das Leben schauen, in welcher inneren Haltung wir sind. Worte sind nie einfach nur Worte. Innen wie Außen – die Sprache ist der Spiegel. Die Worte von Dag Hammarskjöld sind wie ein Weckruf: Wie bin ich da?
„Dem Vergangenen Dank.
Dem Kommenden JA!“
(Dag Hammarskjöld)
All „Dem Vergangenen Dank“ ist Aussöhnung und Versöhnung, ist Frieden mit all dem was und wie es war und ist, ist Dankbarkeit für jeden Augenblick des Lebens. Dankbarkeit auch für die schwierigen, schmerzvollen Zeiten, denn auch sie beinhalten Reifen und Wachsen und verändern innere und äußere Haltung. Ohne sie wäre ich nicht ich, wie ich jetzt bin – auch wenn, oder gerade, weil dieses Ich ein prozesshafter Vorgang ist und nicht ein feststehendes Bild.
All „Dem Kommenden JA“, ohne Ja, aber…. und ohne Ja, wenn…, ist Freiheit ohne Angst vor der Zukunft, ist Offenheit und Weite, ist Hingabe.
Hingabe ist der Weg, die Vielfältigkeit des Lebens in ihrer Kostbarkeit wahrzunehmen und alles, auch mich, in der Tiefe annehmen zu können.
Vor einigen Tagen feierten wir das Osterfest.
Ostern, Symbol für den Weg durch Schmerz und Leid zur Auferstehung.
Dankbarkeit und Hingabe, ein wirkliches JA zum Leben, ist jeden Tag neu, Auferstehung:
Manchmal stehen wir auf,
stehen wir zur Auferstehung auf
mitten am Tage
mit unsrem lebendigem Haar
mit unserer atmenden Haut
Nur das Gewohnte ist um uns
keine Fata Morgana von Palmen
mit weidenden Löwen
und sanften Wölfen
Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus
Und dennoch leicht
und dennoch unverwundbar
geordnet in geheimnisvolle Ordnung
vorweggenommen in ein Haus aus Licht.
(Marie Luise Kaschnitz)
Vielleicht kann dann die Antwort auf das nächste „Wie geht es Dir?“ ein Lächeln und ein tief empfundenes „JA“ sein…
mehr Antwort braucht es nicht.
Eure Petra
Video des Impulsbeitrags
Das Autorinnengespräch mit Petra Wagner fand am Di., 25.04. statt.
Das Video können Sie als Aufzeichnung in Youtube anschauen.
Petra Wagner ist Mitglied der spirituelle Leitung der Kontemplationslinine „Wolke des Nichtwissens“ (Willigis Jäger, Mitglied im Präsidium der West-Östliche Weisheit Willigis Jäger Stiftung, Lehrerin für Kontemplation und Schulung der Wahrnehmung, freischaffende Künstlerin, Ausbilderin für Wahrnehmung und Intuition