Die Stille, die Liebe und das DU
von Prof. Dr. Claus Eurich, Philosoph, Publizist, Kontemplationslehrer, Kursleiter am Benediktushof
Die meditativen Schritte in die Stille werden in manchen Wegen und Schulen von der Aufforderung und der Absicht begleitet, den Gedanken und vordergründigen Empfindungen zu entkommen.
Tauche ein in die Tiefe der Stille und die Stille hinter der Stille. Lass dich von ihr tragen, in einer Haltung metaphysischer Nüchternheit und innerer Gelassenheit. Der Raum, in dem du dich dann aufhältst, gilt als der Raum des Nichtwissens, des Nichtempfindens, der Leere. In ihm lässt du los; er reinigt dich und dein Bewusstsein. Suche dort kein Du, zu dem hin du dich innerlich ausrichtest, denn es wäre nur eine Projektion deiner Sehnsucht.
Bis zu einem bestimmten Punkt lehre ich selber diesen Weg, möchte ihm also nicht widersprechen. Schulungswege, die von tiefer innerer Überzeugung und vor allem langer Erfahrung getragen sind, ruhen in einer eigenen Wirklichkeit. Und diese steht für sich. Doch bei der Frage des DU und damit der Wirklichkeit einer geistigen Welt scheint es mir notwendig, genauer hinzuschauen.
Wenn es einen tieferen Sinn der menschlichen Existenz gibt, so ist es der von liebender Präsenz und einer entsprechenden Entwicklung. Aus Liebe, und einer in ihrer Energie stehenden Evolution, gehen geistige Felder hervor und werden gestärkt. Existentielle Liebe und ein entsprechendes liebendes Gefühl errichten zudem einen geistigen Raum in uns, und sie vermögen uns immer wieder neu auszurichten. Taucht die Frage auf, „wohin“ sie uns ausrichten, so dürfen wir die Antwort getrost schuldig bleiben. Es gibt keinen „Ort“ und keine „Person“ und entsprechend keine klärenden Begriffe. Es ist die Ausrichtungsenergie selber, um die es geht und die sich in Resonanz begibt mit einem geistigen, liebenden Universum, das sie zugleich immer wieder neu mit erschafft. Das, was wir die geistige Welt nennen, braucht die Resonanzfähigkeit des Menschen und seine entsprechende Bereitschaft. Ohne den Menschen und seine ihn tragende Sehnsucht wäre sie nicht bzw. verbliebe ein bewusst- und gestaltloser Urimpuls. Wohin auch sollte sie sich dann verströmen?
In diesem Bewusstsein in die Stille zu gehen, nun meint, die Partnerschaft mit dem großen geistigen „DU“ annehmen und füllen. Die Währung dieser Partnerschaft heißt Liebe. Gemeint ist die große, die metaphysische Liebe, die „Schöpfungsliebe“, die „Gottesliebe“. Zu ihr zieht uns unsere Sehnsucht. Das Meisterwerk der christlichen Kontemplation, „Die Wolke des Nichtwissens“, sagt dazu: „Es genügt völlig ein nacktes, reines Ausgerichtetsein auf Gott, das kein anderes Motiv hat als ihn selbst.“
Hier schließt sich für mich der Kreis zur gegenstandslosen, gedankenentleerten, nüchternen Stille im Meer des Einsseins. Denn sie ist der Vorraum, durch den wir entschlackt das Mysterium und das Energiefeld reiner Liebe betreten können. Wir kommen an…
Von dort in den Alltag des Lebens schreitend, schlägt diese Liebe Wurzeln – zu jedem Leben hin, mit dem wir in Resonanz gehen.