„Auf der Suche nach Heimat“
von Harald Homberger, Kontemplationslehrer der Linie „Wolke des Nichtwissens“ (Willigis Jäger), Spiritueller Leiter der Samyama Integrale Yogameditation
Das Gehen eines spirituellen Weges wird oft von einem Gefühl der Suche nach einer Heimat begleitet, einem Endlich-ankommen-wollen.
Das Wort Heimat berührt viele von uns, wenn wir es hören. Wenn wir versuchen, Heimat zu definieren, ist es eher ein Gefühl oder eine Empfindung und immer ganz individuell – angereichert mit persönlichen und kollektiven Geschichten und Bildern.
Heimat als Empfindung spüren wir entweder als Enge oder als Weite in uns, je nachdem wie wir Heimat in uns erfahren haben. In unserem Körper, in unserer Seele und in unserem Geist. Heimat beschreibt den Ort, wo wir geboren und aufgewachsen sind, unser Dorf, unsere Stadt, unser Land. Der Ort, an dem wir uns zu Hause fühlen.
Heimat ist der Platz, an dem wir Identität entwickelt haben, die Sprache gelernt, kulturelle Eindrücke aufgenommen und Erfahrungen gesammelt haben. Die Plätze, an denen wir Zugehörigkeiten, zum Beispiel zu einer Familie, Freunden, zu einem Verein, zu einer bestimmten Weltsicht entwickelt haben. Heimat ist dort, wo wir uns sicher, geborgen und als zugehörig empfinden.
Haben wir Brüche im Leben in der Heimat erfahren, Elternteile durch Tod oder Scheidung verloren oder sind mit Eltern groß geworden, die aufgrund ihrer Traumatisierungen nicht verfügbar waren, sind das prägende Erfahrungen, die auch eng mit dem Gefühl von Heimat verbunden sind.
Dann ist Heimat in uns ein gespürter, nicht aufgelöster Konflikt oder einfach nur leidvoll. Das verstärkt sich, wenn Menschen unfreiwillig die Heimat durch Ereignisse, wie Flucht, Vertreibung oder Krieg aufgeben müssen.
Ein unfreiwilliger Abschied bedingt, dass man sich eine neue Heimat, eine neue Identität suchen muss. Und weil der Aufbruch nicht freiwillig ist, fehlt – in der Regel – der gute Abschied von der alten Heimat. Es fehlt dann die Würdigung, dass etwas zu Ende gehen musste. Vielmehr wirkt dann in uns der nicht umkehrbare Verlust von Haus, Hof, dem Erlebten und vor allem von den Menschen weiter, die man lassen musste.
Die nächsten Generationen kennen dann die alte Heimat nur als Geschichten, Sehnsüchte und Traumatisierungen der Eltern oder Großeltern. Sie spüren das Unerfüllte, die nicht gelebte Wut auf die, die ihren Vorfahren die Heimat genommen haben, die Trauer, die nicht zu Ende gehen darf, da es einer erneuten Niederlage bedarf, die Hoffnung aufzugeben. Dass die Heimat, so wie sie war, nicht mehr ist und nicht wiederkommen wird. Wenn wir aber an der alten Heimat festhalten, bleiben wir in einer parallelen Welt, die in der Abgrenzung zur anderen Gesellschaft gepflegt wird. Man bleibt dann mit einem Teil immer der Fremde in der neuen Heimat.
Was ist dann zu tun?
Um anzukommen müssen wir für die neue Heimat etwas tun. Wir müssen uns anpassen an die neuen Gegebenheiten, einen Platz in der Gesellschaft einnehmen, der einen nicht einfach gegeben wird. Das geschieht häufig über zu erbringende Leistungen für die neue Heimat. Das findet in der Regel Anerkennung und die Gewährung von Zugehörigkeit.
Die neue Heimat kann auch reflexartig eine Gegenbewegung in Gang bringen. Dann sprechen wir von der guten alten Zeit, die dann mit der Heimat verbunden und verknüpft wird. Das Altvertraute wird in Folge vermisst, manchmal auch verklärt. Ungut verstärkt wird das durch die ideologische Verbindung von Heimat und Nation. Dann wird argumentiert, dass „WIR“ die richtigen Deutschen sind und meinen, unsere Heimat dann vor Entfremdung, Migration, Ausländern schützen zu müssen.
Doch Heimat ist noch vielschichtiger. Das Land der Geburt oder der Ort, an dem man groß geworden ist, wird auch nicht von jedem als Heimat empfunden. Manche Menschen gehen freiwillig zu neuen Ufern und besitzen an einem oder mehreren Orten eine Wahlheimat. Manche leben dann als „Weltbürger“ in verschiedenen Städten.
„Auf der Suche nach Gott hab ich die ganze Welt durchwandert
und ihn nirgendwo gefunden.
Als ich wieder nach Hause kam, sah ich ihn an der Tür meines Herzens stehen und er sprach:
Hier warte ich auf Dich seit Ewigkeiten.
Da bin ich mit ihm ins Haus gegangen!“
(Rumi)
Heimat spiegelt sich aber auch im Körper, in der Seele und im Geist. Wenn ich in meinem Körper spürbar anwesend bin, bin ich in mir beheimatet. Alle Formen der Achtsamkeitspraxis weisen darauf hin, eine Präsenz im Körper, eine Heimat im Körper spürend wahrzunehmen, um sich gegenwärtig und verbunden zu empfinden. Damit geht einher, mit seiner Seele verbunden zu sein. Mit seinen Gefühlen, seiner Geschichte, seinen Ahnen, mit den Zugehörigkeiten zu Familie, Freunden und mit der Gesellschaft im Einklang zu sein. Auch im Geistigen können wir beheimatet sein.
Eine Religion, der spirituelle Weg, die Gemeinschaft kann für einen Menschen Heimat sein. Auch die Grundfragen der spirituellen Suche
Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo geh ich hin?
sind sehr eng mit dem Gefühl der Heimat, der Zugehörigkeit, spürend im Herzen, zu einem letzten Grund verbunden.
Rumi drückt dies für spirituelle Suchende so aus:
Auf der Suche nach Gott hab ich die ganze Welt durchwandert
und ihn nirgendwo gefunden.
Als ich wieder nach Hause kam, sah ich ihn an der Tür meines Herzens stehen und er sprach:
Hier warte ich auf Dich seit Ewigkeiten.
Da bin ich mit ihm ins Haus gegangen!