Buchvorstellung „Das Willigis-Jahrhundert“
ein Buch von Alexander Poraj
Herausgegeben von der West-Östliche Weisheit Willigis Jäger Stiftung
Am 20. September ist es ein halbes Jahr her, dass Willigis Jäger von uns gegangen ist. Es ist immer noch eine Zeit der Trauer und des Abschiednehmens. Gleichzeitig nehmen wir verstärkt wahr, was wir alles dank der oft langjährigen Begleitung durch Willigis für unseren Lebensweg mitbekommen haben. Wir befinden uns in der Zeit der verstärkten Reflexion über das, was war, was jetzt ist, und wohin wir uns entwickeln werden.
In diesem Zusammenhang freut es uns, Euch das soeben erschienene Buch „Das Willigis–Jahrhundert“ vorzustellen. Der langjährige Weggefährte von Willigis Jäger, Alexander Poraj, hat ein Buch geschrieben, in dem er auf sehr persönliche Weise den inneren Lebensweg und die Entwicklung von Willigis Jäger aufzeigt. Herausgegeben wurde das Buch von der West-Östliche Weisheit Willigis Jäger Stiftung.
Im folgenden Interview gibt uns Alexander Poraj ein paar Einblicke in das Buch und wie es entstanden ist:
Wie kam es dazu, dass du ein Buch über Willigis geschrieben hast?
Willigis Jäger ist am 20. März diesen Jahres von uns gegangen. Für viele von uns war Willigis ein sehr wichtiger Mensch, und das oft über Jahre hinweg. Aufgrund des Corona-Lockdowns war für uns am Benediktushof ein stiller Abschied möglich und, was noch viel wichtiger war, eine Zeit der Trauer. Doch für mich ist das Abschiednehmen von Willigis ein längerer Prozess. Das Schreiben dieses Buches ist ein Teil davon. Gleichzeitig erreichte mich in den vergangenen Monaten die Bitte vieler Weggefährtinnen und Weggefährten über Willigis zu schreiben. So ist dieses Buch entstanden.
Wie hast du mit dem Schreiben angefangen?
Ich habe mich auf den Kern unserer langen Freundschaft besonnen. Was uns beide sehr interessierte und auch verband, war die sich immer neugestaltende Vertiefung, Präzisierung und Auseinandersetzung mit der Frage nach dem Sinn unseres Lebens. Ein „gemeinsames Baden in einem Fass ohne Boden“ sozusagen. Allen voran beschäftigten wir uns mit dem Christentum und dem Zen, deren Verbindung untereinander und deren Alltagstauglichkeit. Es waren zwei zentrale Themen, die Willigis zeitlebens begleiteten.
Was genau meinst du damit?
Willigis war katholischer Priester und Benediktinermönch. Zu beidem hatte er sich sehr bewusst entschieden. Er vertraute zunächst darauf, dass die Kirche dazu berufen ist, auf die wichtigsten Fragen der Menschen eine zeitgenössisch lebbare und nachvollziehbare Antwort geben zu können. Dann merkte er aber, dass die Institution Kirche zu starr für seine Fragen wurde. Gleichzeitig spürte er die wachsende Sehnsucht in sich, den Lebensfragen auf den Grund zu gehen, und zwar nicht intellektuell-theologisch, sondern existenziell. Es entstand ein sehr interessanter und großer Spannungsbogen zwischen der institutionalisierten christlichen Lehre und dieser lebendigen Sehnsucht, in der sich übrigens viele Menschen wiedergefunden haben. Das ist der Spannungsbogen und der Inhalt des Buches. Es ist eine Art innere Biographie von Willigis.
Aus welcher Perspektive hast du das Buch geschrieben?
Willigis und ich, wir kannten uns ca. 30 Jahre, und ein wichtiger Teil unserer Beziehung waren sehr intensive, lange und häufige Gespräche, Übungen und Auseinandersetzungen. Auf unzähligen Spaziergängen, Reisen, Besprechungen, kurzen und längeren Treffen haben wir fast immer die Gelegenheit genutzt, an diesem einen großen Thema zu „kauen“. Das Buch ist also auch eine Art Echo dieser Gespräche.
Was ist dir wichtig?
Ich möchte meinen ganz persönlichen Zugang zu Willigis dafür nutzen, die enge Verbindung zwischen seinem Lebensthema und Lebensweg aufzuzeigen. In seinem Fall war beides kaum voneinander zu trennen. Er lebte seine Sehnsucht und Suche wirklich aus. Er hatte wunderbare Momente der Ein-Sicht, aber eben auch viele des Leidens und der Ungewissheit. Eine Art von Hass-Liebe verband ihn bis zum Tod mit seiner Kirche. Das alles war kein Zuckerschlecken.
Warum der Titel DAS WILLIGIS–JAHRHUNDERT?
Willigis verkörpert einen Zeitgeist, ja einen Jahrhundertgeist der Suche, den er nicht nur miterlebt, sondern auch direkt mitgestaltet hat. Sein Weg begann im vor-konziliaren, klassisch katholischen Christentum und schloss in einer a-konfessionellen oder transkonfessionellen Vision der Spiritualität, die uns ganz besonders heute inspiriert. Dieser Bogen ist von den Ereignissen des 20. Jahrhunderts nicht zu trennen. Der Weg, den Willigis gegangen ist, ist auch dadurch interessant, weil er in dieser ganzen Zeit Mönch und Priester geblieben ist, trotz seiner Streitigkeiten mit der Kirche. Wie wir alle wissen, wählte er die Gemeinschaft der Benediktiner auch als letzte Ruhestätte. Er wollte in der Kirche bleiben, und das mystische Verständnis von Christentum blieb ihm auch ständig als Vision präsent.
Kann uns das Buch in unserem Alltag nützlich sein?
Ich hoffe ja. Die Dinge, die Willigis beschäftigt haben, sind hochaktuell und interessant für jeden von uns, ob er oder sie sich explizit für Spiritualität und Mystik interessiert oder nicht. Es geht um das Menschsein. Willigis hat sein Menschsein gemäß den Umständen seiner Zeit gelebt, so gut er es konnte, und eben jene Umstände es zuließen. Darin war er ähnlich und gleichzeitig auch anders als seine Lehrer und Meister, die unter ihren Umständen lebten und lehrten. Diese eine großartige Wirklichkeit ereignet sich immer neu. Sie ist immer frisch. Sie kann nicht erlangt oder in Besitz genommen werden. Es gibt keinen Stillstand oder einen Punkt, der erreicht ist. Das Leben, das „Göttliche“ wie er es nannte, ist immer pure Lebendigkeit.
„Warum sollte ich Angst haben,
dass mein Schiff untergeht,
wo doch Gott das Meer ist,
in das es versinkt?“
Willigis Jäger
Wem empfiehlst du das Buch?
Es würde mich sehr freuen, wenn viele, die mit Willigis gemeinsam ein Stück des Weges gegangen sind, diesen Weg auch weitergehen. In diesem Fall kann das Buch als eine Inspiration und Reflexion dienen, um klarer zu sehen, welche Schritte Willigis getan hat, sowohl praktische als auch theologische. Es zeigt, welche Positionen er bezogen hat, und was aus all seinen Erfahrungen und Einsichten hilfreich sein kann für all die Schritte, die jetzt jeder von uns tun kann und vielleicht auch soll.
Es wäre sehr schön, wenn dieses Buch die Weggefährt*innen von Willigis in ihrer Trauer und ihrem Abschiednehmen unterstützend begleiten könnte.
Das Buch ist in der Buchhandlung am Benediktushof oder im Online-Shop erhältlich.